Spulwürmer oder Rundwürmer (Askariden) kommen bei vielen Tierarten (z.B. Toxocara canis des Hundes, Toxocara cati der Katze etc.), jedoch auch beim Menschen (Toxocara lumbricoides) vor. Sie leben im Darm und können eine Länge von bis zu 30-50 cm erreichen. Es werden bis zu 200.000 Eier pro Tag produziert und dann mit dem Kot ausgeschieden. Über den Kotkontakt werden infektiöse Larvenstadien, die sich noch in den Wurmeiern befinden, übertragen. Nimmt ein nicht infiziertes Wirtstier oder der Mensch diese Eier, z. B. über nicht gewaschene Hände, Lebensmittel oder verschmutztes Trinkwasser oral auf, schlüpfen die Larven im Dünndarm ihres Wirtes und wandern anschließend über die Blutgefäße in Leber und Lunge. In einem Prozess, der „Tracheale Wanderung“ genannt wird, werden die Larven zunächst hochgehustet und anschließend wieder abgeschluckt. Der Zyklus findet seinen Abschluss, indem die Larven wieder im Darm ankommen und die Entwicklung zu adulten Würmern, die wieder Eier bilden, erfolgt. Ihrem Wirt schaden diese Askariden durch Entzug von Nährstoffen sowie durch die auftretenden Gewebszerstörungen.

Werden die Eier allerdings von einer anderen, nicht an den Parasiten angepassten Tierart (Zwischenwirt, Fehlwirt) aufgenommen, schlüpfen die Larven ebenfalls aus der Eihülle, durchdringen die Darmwand und gelangen in verschiedene Organe und Körpergewebe, wo sie jedoch meist eingekapselt werden. Eine Neuinfektion durch Aufnahme dieser im Gewebe des Zwischenwirts abgekapselten Larven ist ebenso möglich.

Waschbärspulwurm – die neue Gefahr

Mit der Ansiedlung invasiver Tierarten ist auch eine mögliche Einschleppung neuer Infektionserreger oder Parasiten verbunden. Der Waschbär (Procyon lotor), ursprünglich nur einheimisch in Nordamerika, verbreitete sich in den vergangenen Jahren in Europa, auch in Japan, massiv. Aktuell bildet er in Deutschland die größte Population Zentraleuropas. Diese steigt, wie anhand der Jahresjagdstrecken leicht ersichtlich, nach wie vor rasant an. Der Waschbärspulwurm Baylisascaris procyonis gelangte  mit dem Waschbären von Amerika nach Europa. Bei Untersuchungen in den 1990er Jahren in Hessen von wildlebenden Waschbären waren rund 72% Parasitenträger.

Der Waschbärspulwurm lebt im Dünndarm von Waschbären und vermehrt sich dort geschlechtlich und mit jedem Gramm Kot werden täglich  20 000 – 26 000 Spulwurmeier ausgeschieden. Bei mittlerer Umgebungstemperatur und Feuchtigkeit entwickeln sich daraus Larven, die jahrelang infektionsfähig bleiben. Über das Aufsuchen gemeinsam genutzter Latrinen können sich Waschbären infizieren, eine weitere Ansteckungsmöglichkeit ergibt sich aus der Konsumierung von mit Larven infizierten Beutetieren (=Zwischenwirte) wie Nagetiere oder Vögel.

Für den Menschen stellt der Waschbärspulwurm eine der gefährlichsten Zoonosen dar, da die Larven (Larva migrans) durch Wanderbewegungen das Gewebe zerstören und je nach Befallsort entsprechende Organstörungen verursachen wie z.B. Erblindung beim Eindringen ins Auge. Ein Befall des zentralen Nervensystems durch eine Larve des Waschbärspulwurms verläuft in den meisten Fällen tödlich.

Mit dem Anstieg der Populationsdichten des Waschbären in Deutschland steigt auch das Risiko für die Verbreitung des Waschbärspulwurms. Da die Spulwurmeier gegenüber Umwelteinflüssen sehr resistent sind, bleiben sie im Freiland jahrelang infektiös. Wie Beispiele aus den USA zeigen sind in Siedlungsgebieten des Waschbären vor allem Kleinkinder, die im Garten und Sandkasten spielen einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Besonders die beim Waschbären vorhandenen unmittelbare Nähe zum Menschen (hohe Populationsdichte auch in städtischen Siedlungsräumen) verlangt nach einer Untersuchung auf Waschbär-assoziierte Zoonoseerreger (Erreger, die auf den Menschen übertragbar sind), um die potentiellen Risiken besser einschätzen und bewerten zu können.

Beim Waschbären kommt dem parasitären Erreger Baylisascaris procyonis, einem Spulwurm, eine besondere Bedeutung als Zoonoseerreger zu. Die durch diesen Erreger hervorgerufene und als Baylisascaridose benannte Erkrankung wurde in die WHO-Liste „Zoonoses with current and potentially increasing impact“ in Europa aufgenommen. Die vergleichsweise hohe Expositionsgefahr des Menschen wird durch eine hohe Erregerausscheidung infizierter Waschbären, die hochgradige Kontaminantion der Umgebung an bevorzugten Kotabsatzorten (sogenannten Latrinen) und das Leben von Waschbären auch in menschlichen Siedlungsräumen begründet.

Bei Waschbären ist der Waschbärspulwurm eine häufig auftretende Spulwurmart. In den USA konnte sie erstmals auch im Darm von Hunden gefunden werden. Als alternativer Endwirt geht von Hunden somit ebenfalls eine potentielle Gefährdung aus.

Im Darm ausgewachsener Waschbären, die infiziert sind, lassen sich bis zu 200 adulte Spulwürmer nachweisen, wobei das Wirtstier dadurch nicht oder nur unwesentlich in seinem Gesundheitsstatus beeinträchtigt wird. Diese starke Besiedlung des Darms bedingt die Ausscheidung von Millionen Wurmeiern, die in der Umwelt jahrelang überlebensfähig sein können. Während die eigentlichen Wurmeier selbst harmlos sind, entwickeln sich aus den Eiern die Larven, die die eigentliche infektiöse Zwischenform darstellen. Nun kommen die bereits o.g. Zwischenwirte ins Spiel. Als solche fungieren in erster Linie kleinere Tiere wie Nager und Vögel, die im weiteren Verlauf möglicherweise auch als Nahrung für den Waschbär in Frage kommen. Im Darm dieses Zwischenwirts entwickeln sich aus den aufgenommenen Wurmeiern die Larven. Diese durchdringen dann die Darmwand und nisten sich in unterschiedlichen Organen oder Geweben ein. Ist z.B. das Nervensystem betroffen, kann es zu entsprechenden Ausfallerscheinungen wie Lethargie, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, Koma kommen. Bei besonders starkem Befall führt dies zum Tod des Zwischenwirts. Größere Haustiere und Säugetiere als sogenannte Zwischen- oder Fehlwirte können eine Infektion jedoch auch ohne weitere Folgen überstehen. Schweine, Schafe, Ziegen und Katzen scheinen sogar für den Waschbärspulwurm wenig empfänglich zu sein. Ein nicht infizierter Waschbär infiziert sich durch den Verzehr eines mit Larven befallenen Zwischenwirtes. Auch die direkte Aufnahme von bereits larvenhaltigen Eiern ist möglich. Nur im Waschbär und gelegentlich bei Hunden entwickeln sich ausgewachsene Würmer.

Der Waschbärspulwurm stellt auch für die menschliche Gesundheit eine Bedrohung dar. Wie verschiedene Säugetierarten ist auch der Mensch im Entwicklungszyklus dieses Parasiten ein Zwischen- oder Fehlwirt. Im Falle einer oralen Aufnahme der infektiöse Larvenstadien in den Wurmeiern können diese zunächst in den menschlichen Darm gelangen, später die Darmwand penetrieren und sich in unterschiedlichen Organen oder Geweben einnisten. Durch ihre Wanderbewegungen (Larva migrans) zerstören sie je nach Befallsort entsprechende Gewebsstrukturen. Obwohl das gesamte klinische Spektrum der humanen Baylisascaridose nach wie vor nicht bekannt ist, können bisher vier Verlaufsformen unterschieden werden. Neben der am häufigsten anzutreffenden asymtomatischen Infektion können eine Nervenform (neuronale Larva migrans), eine Augenform (occuläre Larva migrans) sowie eine Eingeweideform (viscerale Larva migrans) unterschieden werden.

Die neuronale Larva migrans stellt eindeutig die schwerste Form der Erkrankung dar. Die durch die Larvenwanderung und das kontinuierliche Wachstum ausgelösten Nervengewebszerstörungen rufen eine Hirnhautentzündung (eosinophile Meningoenzephalitis) hervor. In deren Folge kommt es zu neurologischen Ausfallerscheinungen, die im schlimmsten Fall einen Komazustand und den Tod zur Folge haben. In Nordamerika sind bisher 23 dieser Krankheitsfälle beschrieben. Betroffen waren meist Kleinkinder oder Menschen mit Behinderungen. In den meisten Fällen endete der Krankheitsverlauf letal oder es entwickelte sich eine schwere neurologische Dauererkrankung.

Die occuläre Larva migrans, die gelegentlich auch in Zusammenhang mit der oben beschriebenen neuronalen Verlaufsform auftreten kann, entsteht durch die Larvenwanderung im Bereich der Sehregion des Gehirns bzw. im Auge selbst. Ist das Auge betroffen entwickelt sich eine einseitige Netzhautentzündung (unilaterale Neuroretinitis). Die Folge ist ein Visusverlust. Dutzende von derartigen Fällen sind in den USA beschrieben. Ein Erkrankungsfall aus Deutschland wurde ebenfalls bekannt.

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