Irgendwann ist es genug.

Es ist schon einige Jahre her, lange bevor die ASP vor unserer Haustür stand. Jagdverband und Teile der Politik warben für Wildbret, die gesunde und umweltverträgliche Alternative zu Produkten aus der Massentierhaltung. Echtes Wildbret bekommt man bei uns in Deutschland nur vom Jäger – das importierte Gatterfleisch aus dem Ausland möchte ich, anders wie die Discounter, die es im Angebot haben, nicht als solches bezeichnen.

Jagdverbände und Politik also wollten den Verbraucher vom Wert des Produktes überzeugen und dafür sorgen, dass die Nachfrage nach Wildbret steigt. Den Jägern wurde angetragen, diese steigende Nachfrage durch steigenden Einsatz und größere Strecken zu befriedigen.

Aber natürlich genügt es in Zeiten einer länderübergreifenden EU-Politik nicht mehr, einfach mehr Wild zu erlegen und mehr zu verkaufen. Nein, die Politik hat nicht nur wegweisende Richtlinien zur zulässigen Krümmung von Salatgurken erlassen, sondern auch durch diverse Gesetze die Fleischverarbeitung und den Fleischverkauf neu reguliert. Man möge mich hier nicht falsch verstehen – die richtige Wildbrethygiene von der Erlegung bis zur Abgabe der Produkte ist absolut notwendig, damit wir und unsere Kunden unser Wildbret mit ruhigem Gewissen verzehren können.

Die Frage ist aber – wieviele Regulierungen, wieviele Einschränkungen und wie viele unterschiedliche Auslegungen einzelner Länder, Landkreise und Ämter verträgt dieser Wirtschaftszweig, ohne daran zu zerbrechen? Wo man früher beim örtlichen Metzger noch Wurst aus eigener Schlachtung und Wild aus den umliegenden Revieren kaufen konnte, liegen heute Industrieprodukte. Hausschlachtungen gibt es aufgrund der vielschichtigen gesetzlichen Regelungen nicht mehr, genauso verhält es sich beim Wildbret. Kennen Sie noch einen Metzger, der selbst schlachtet oder bei dem Sie einen frischen Rehrücken – damit meine ich nicht den abgepackten unbekannter Provenienz, der in der Metro für 29 € angeboten wird – für Ihren Festtagsbraten kaufen können? Nein, die aufgrund der umfangreichen Regelungswut notwendig gewordenen Voraussetzungen wie zwei getrennte Schlachträume und vieles andere mehr kann sich kein Metzger heute mehr leisten.

Aber wir haben ja noch den Jäger vor Ort, dort sollte es doch Wildbret satt geben, schliesslich haben – siehe oben – Jagdverbände und Politik den Verbraucher vom Wert des Produktes überzeugt und dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach Wildbret steigt. Und wir Jäger vor Ort machen das ja, wir gehen raus, wir investieren Zeit und Mühe, um Wildbret zu erlegen. Und wo wir das früher in der Hauptsache zum Eigenbedarf gemacht haben, machen wir das heute auch, damit andere in den Genuss von hochwertigem Wildbret kommen können.

Alles könnte also so einfach sein – könnte. Denn heute haben wir nicht nur einen Berg von Gesetzen und Regelungen aus der EU zu beachten, nein, wir müssen auch mit den Befindlichkeiten und Auslegungen der Vertreter vor Ort klar kommen. Was bedeutet das denn nun in der Praxis?

Erlegen und sauber verarbeiten reicht heute nicht mehr. Nein, der Jäger ist nicht mehr nur Jäger, sondern nach Willen des Gesetzgebers nun auch Unternehmer. Lebensmittelunternehmer. Also quasi ein Metzger. Oder besser eine ganze Metzgerei. Und er muss sich registrieren lassen – das tut nicht weh und hat auch keine weiteren Folgen, erklärt mir der zuständige Sachbearbeiter auf Nachfrage. „Und übrigens – man könne ja weiterhin Wild in der Decke oder Schwarte verkaufen, also ganze Stücke. Das macht ja Sinn, man erlegt und schon ist es weg, ohne großen Aufwand. Gasthäuser und Metzgereien seien doch dankbare Abnehmer.“ Auf meine Erwiderung, auch für Gasthäuser und Metzger gälten die EU-Richtlinien, diese müssten für die Verarbeitung von Wild doch getrennte Räume und so weiter…. zuckt er mit den Achseln. Auch die Großfamilien, die früher die 60 kg schwere Sau mit dem Handkarren vom Hof geholt haben, gibt es – zumindest in meiner Ecke – nicht mehr. Meine Klientel hat zwar das Wildbret als Nahrungsmittel neu entdeckt, kauft es aber gerne in 250 g bratfertigen Stücken ohne Sehnen und zuckt bei einer 1,5 kg schweren Keule mit Knochen merklich zusammen.

Vielleicht gibt es ja auch Gasthäuser und Metzgereien, die weiterhin Wild in der Decke abnehmen, ohne die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu haben. Und vielleicht gibt es Jäger, die zerwirktes Wild verkaufen, ohne sich als Lebensmittelunternehmer registriert zu haben. Nein, ganz bestimmt sogar. Denn dass von 120 Revieren nur 12 als registrierte Lebensmittelunternehmer zerwirktes Wild verkaufen und 108 nur Wild in der Decke, das mag ich bei aller Liebe nicht glauben.

Aber ich möchte ja alles richtig und gesetzeskonform machen. Folglich melde ich mich als Lebensmittelunternehmer an, rüste nach den Vorgaben der Veterinärämter meine Wildkammer ein, eine richtige kleine Metzgerei – da kommen schnell Beträge um die 10.000 Euro zusammen. Und bin stolz und zufrieden, als der Amtsveterinär das Prachtstück dann auch mit wohlwollendem Kopfnicken abnimmt. Nun steht der Befriedigung der Nachfrage nach heimischem Wildbret also nichts mehr im Wege.

Ein kleiner Zeitsprung, drei Jahre später: Die ASP steht an unserer Grenze und wartet nur auf einen günstigen Moment, um zuzuschlagen. Aber die Politik hat die Gefahr erkannt und sofort Massnahmen ergriffen! Wo keine Sauen, da keine ASP – eigentlich ganz einfach. Und wer könnte besser dafür sorgen, dass es weniger oder keine Sauen mehr gibt als der Jäger vor Ort? Erleichterung macht sich breit bei den zuständigen Behörden – natürlich, gut dass wir drauf gekommen sind – die Jäger sollen es richten! Klare Anweisungen seitens der Jagdverbände, der Ministerien und dem einen oder anderen Politiker, der natürlich gleich erkannt hat, dass ER fein raus ist, wenn DIE (Jäger) das dann nicht hinbekommen.

Schliesslich tut man ja seitens der Politik alles dafür, dass der Jäger möglichst viele Sauen schiesst. Wir dürfen nun sogar des Nächtens künstliches Licht zur Jagd nutzen. Ja gut, natürlich nur in der linken Hand, während wir mit der rechten Hand das Gewehr ins Ziel wackeln. Die Lampe ans Gewehr? Gute Güte, das geht auf keinen Fall, das ist ja sowas von verboten. Aber Nachtsichtvorsatzgeräte, die dürft ihr jetzt nutzen, zumindest eine Zeitlang könnt ihr mit den 3.000 € teuren Geräten jagen. Nein, natürlich nicht überall und nicht jeder. Nur du und nur in deinem eigenen Revier oder da, wo du eine ständige Jagderlaubnis hast. Nein, beim Nachbar aushelfen, das geht natürlich nicht. Das Waffengesetz haben sie dafür sogar geändert, stellt euch vor. Alles nur für uns. Ja gut, nicht jedes Land ändert nun auch noch das Jagdgesetz. Und wenn, dann nur mit Einschränkungen. IR-Strahler am Vorsatzgerät – bloss nicht, siehe oben, derselbe Spass wie mit der Lampe. Ein richtiges Nachtzielgerät anstatt eines monströsen Vorsatzes? Auf keinen Fall, damit sind ja dem Verbrechen Tür und Tor geöffnet.

Aber ich will nicht undankbar sein. Mein Landkreis verzichtet sogar auf die Gebühr für die gesetzlich vorgeschriebenen Trichinenproben in Höhe von 2,84 €. In meinem Bundesland wird der Hundeeinsatz bei Drückjagden finanziell gefördert. Reviereinrichtungen und Wildkühlschränke ebenso. Es wird also einiges dafür getan, damit wir Jäger öfters rausgehen und mehr Sauen erlegen. Natürlich ist das Projekt INFRAWILD mit einem gewaltigen Verwaltungsaufwand verbunden – wer sich wie ich dafür registriert hat, weiss was ich meine. Vielleicht wäre der einfachere Weg gewesen, eine Pürzelprämie zu bezahlen? Damit würden dann nicht Jagdkanzeln, von denen vielleicht nie eine Sau geschossen wird und Kühlschränke, in denen vielleicht nie eine Sau hängen wird, finanziert, sondern das eigentliche Ziel des ganzen Aktionismus – das erlegte Wildschwein – prämiert.

Als guter Bürger dieses Landes habe ich alles gemacht: Mich als Lebensmittelunternehmer registriert. Eine Wildkammer errichtet. Intensiver wie jemals zuvor auf Sauen gejagt und die übliche Strecke verdreifacht. Also alles bestens?

Wer meinen Beitrag Theorie und Praxis – oder wie es an der Basis wirklich aussieht gelesen hat, weiss dass das mitnichten so ist.
Trichinenprobe nur 1 bis 2 mal wöchentlich. Sauen, die ich donnerstags erlege, blockieren mir bis Dienstag die Wildkammer. Zerwirkreste dürfen nicht mehr wie bisher in den kommunalen Kadaversammelstellen entsorgt werden – dafür sind die neu geschaffenen Verwahrstellen gemacht worden. Leider sind die bei uns noch nicht in Betrieb – wohin also mit Schwarten, Knochen und Innereien? „Das ist nicht unser Problem, darum muss sich die Jägerschaft selbst kümmern“ erhalte ich als schriftliche Antwort auf meine diesbezügliche Anfrage. Wenn die Verwahrstellen dann tatsächlich in Betrieb gehen, ist die Anfahrt zu selbigen eine halbe Weltreise. Entgegen den Empfehlungen der Jägerschaft wurden diese mitten in der Großstadt errichtet, weitab vom Sauenschwerpunkt unseres Landkreises.

Ich hab 2019 reagiert. Ich habe aufgrund der unverändert schlechten Bedingungen meine Sauenstrecke wieder auf das notwendigste beschränkt. Erlegungen nur an Schadflächen, ansonsten Vergrämung. Wieder und wieder habe ich die Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Folgen für uns Jäger kritisiert, am Runden Tisch, bei den Ämtern. Bisher ohne Erfolg.

Zufällig wurde meine Wildkammer Ende letzten Jahres vom Amt kontrolliert und eine Fleischprobe gezogen. Heute erhielt ich das Ergebnis – das Fleisch sei ohne jede Beanstandung. Aber die Etikettierung, so ginge das nicht, da müssen wir drüber reden. Ich hatte mir extra eine gebrauchte Metzger-Etikettierwaage gekauft und einrichten lassen. Ach ja, amtlich geeicht muss die werden, in regelmässigen Abständen, für 80 €. Kriegt dann einen Stempel wie beim TÜV. Und das alles für 15 Rehe und 20 Sauen, von denen ich sicherlich die Hälfte selber verbrauche.

Wisst ihr, was ihr mich so langsam könnt?
Irgendwann ist es genug.

P.S. Ich bin mir bewusst, dass mich 108 von 120 Revieren in meinem Landkreis jetzt auslachen. Sie haben es ja gleich gewusst. Ich weiss es jetzt auch, hinterher ist man halt immer schlauer.

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